Im Gespräch mit Alexandra Stefanov. Gründerin der China Impulse.

Alexandra Stefanov

Im Gespräch mit Alexandra Stefanov. Gründerin der China Impulse. Studierte Sinologie und Transcultural Studies in Heidelberg, Tianjin und Shanghai. Unterstützt die Digitalisierungs-Initiative der Deutschen Wirtschaft zur Digitalisierung und Innovationen im deutschsprachigen Raum.

Stellen Sie sich bitte kurz vor

Mein Name ist Alexandra Stefanov, ich habe Sinologie und Transcultural Studies in Heidelberg, Tianjin und Shanghai studiert und bin seit 2009 regelmäßig in China unterwegs. Nach dem Studium habe ich zunächst an einer Chinesisch Lern-App mitgearbeitet und bin nun seit einigen Jahren als Projekt- und Eventmanagerin tätig – insbesondere für Networking- und Recruiting-Events, sowohl im IT-Bereich als auch im chinesischen Kontext. Gleichzeitig unterstütze ich mit der Digitalisierungs-Initiative der Deutschen Wirtschaft die Digitalisierung und Innovationen im deutschsprachigen Raum. Seit über 10 Jahren widme ich mich außerdem den Themen Internetkultur, Innovationen und digitale Trends in China.

Mit diesem Hintergrund habe ich im Mai 2020 China Impulse als Projekt gestartet, um zu sehen, wie andere Chinaexperten am Puls der Zeit bleiben und mit den Entwicklungen in Chinas Digitalwelt mithalten. Das Projekt entwickelte sich dann zu einer Video-Interviewserie mit dem Titel „China Impulse – Der Experten-Einblick in Chinas komplexe Digitalwelt“, in der ich über 20 Experten interviewt habe, die sich mit Chinas Digitalwelt auskennen und erfolgreich mit den digitalen Themen dort Schritt halten.

Erzählen Sie uns von dem Moment, in dem Sie die Idee zu China Impulse hatten oder wie es dazu gekommen ist. Es hat ja auch irgendwie mit Corona zu tun?

Seitdem ich mich im Rahmen der Digitalisierungs-Initiative der Deutschen Wirtschaft intensiver mit dem Thema Digitalisierung in Deutschland beschäftige, fällt mir immer mehr auf, wie wenig wir uns hier mit der chinesischen Digitalwelt auskennen und befassen. Dabei hat China schon 904 Millionen Internetnutzer, hat im Jahr 2019 zum ersten Mal die USA bei der Anzahl der Patentanmeldungen überholt und ist uns bei fast allen digitalen Trends mindestens 5 Jahre voraus.

Obwohl ich mich seit über 10 Jahren mit der chinesischen Internetwelt beschäftige, habe ich Anfang des Jahres wieder gemerkt, wie schnell sich diese digitalen Themen in China verändern und wie wenig auch ich über bestimmte Entwicklungen wusste, nur weil ich 2 Jahre lang nicht mehr vor Ort gewesen war. Und mir fiel vor allem auf, dass es fast keine deutschsprachigen Quellen dafür gibt, sodass ich überlegt habe, wie ich einen Bezug zum deutschsprachigen Raum herstellen könnte.

Im Mai 2020 habe ich dann China Impulse ins Leben gerufen, weil ich auch aus eigener Erfahrung weiß, wie überfordernd die Geschwindigkeit des chinesischen technischen Fortschritts sein kann. Mit diesem Projekt wollte ich möglichst vielen Menschen den Einstieg in die chinesische Digitalwelt erleichtern und ihnen dabei helfen, das digitale Mindset dahinter besser zu verstehen.

Mit Corona hatte der Start meines Projektes insoweit zu tun, dass das Thema Digitalisierung plötzlich auch in Deutschland viel präsenter war und digitale Tools wie Zoom und TikTok viel mehr genutzt wurden. Sogar QR Codes, die ich sonst nur aus China kannte, habe ich aus Hygienegründen auf einmal auf den Tischen in einigen Restaurants in Frankfurt gesehen. Hinzu kam, dass ich, aufgrund der coronabedingten Absagen von Messen und Konferenzen, in meinem Event- und Projektmanagement Job irgendwann in Kurzarbeit war, was mir ermöglicht hat, mehr Zeit für das Herzensprojekt China Impulse zu haben. Ich weiß nicht, ob ich sonst neben einem Vollzeitjob die Zeit für die Organisation der Interviewreihe gefunden hätte und ob sich das Projekt so schnell entwickelt hätte.

Was waren die größten Herausforderungen im Start und der Umsetzung von China Impulse? Kann man Ihrer Meinung nach mit einer Idee starten, auch wenn noch nicht alles perfekt ist?

Für mich war die größte Herausforderung, mich gleichzeitig in zahlreiche Themen einzuarbeiten, mit denen ich mich bis dahin noch nie beschäftigt hatte. Vom Design des Projekt-Logos über die Webseite bis hin zur Organisation der gesamten Interviewserie wollte ich nämlich alles alleine machen. Ich habe sehr viel dabei gelernt, es war aber auch anstrengend, stundenweise YouTube-Tutorials zu schauen. Die größten Schwierigkeiten waren mit der Webseite verbunden. Ich habe mir zum ersten Mal eine Domain gekauft und eine WordPress-Seite erstellt und so musste ich überhaupt erstmal lernen, wie das alles funktioniert und was es dabei zu beachten gibt.

In diesem Zusammenhang war es besonders nervenaufreibend, alles einzurichten, was mit DSGVO, Impressum, Datenschutzerklärung, Cookie-Richtlinien usw. zu tun hatte. Danach kamen Themen wie Photoshop, Mailversand, Zoom-Aufnahmen, Videoschnitt und das komplette Marketing hinzu. Das alles hat aber auch dazu geführt, dass ich jetzt weiß, wie jeder einzelne Schritt in diesem Prozess aussieht und dass ich mal wieder gemerkt habe, wie man sich im Internetzeitalter (fast) alles autodidaktisch beibringen kann, wenn man sich wirklich dafür interessiert.

Meiner Meinung nach sollte man auf jeden Fall mit einer Idee starten, die noch nicht perfekt ist. Erst im Prozess, wenn man die einzelnen Schritte konkret durchläuft und diese nicht nur plant, reift die Idee heran und entwickelt sich weiter. Es ist natürlich auch wichtig, sich vorher Gedanken zu machen und ein wenig zu planen, aber man kann nicht alles nur theoretisch durchspielen. Viele Schritte kann man nicht vorhersehen und daher finde ich es wichtig, dass man die Ideen so schnell wie möglich in der Praxis testet. Das habe ich zum Beispiel auch von China und der chinesischen Digitalwelt gelernt: Dort ist man wenig perfektionistisch, sondern eher pragmatisch. Man wartet nicht bis ein Produkt perfekt ist, um es auf den Markt zu bringen, sondern man bringt das Produkt raus, holt sich Kundenfeedback und adaptiert, verbessert und entwickelt ständig weiter.

Was waren für Sie die bisher schönsten Erfolgserlebnisse bei dem Projekt oder gab es sogar ganz unerwartete Entwicklungen?

Das schönste Erfolgserlebnis war das positive Feedback der Zuschauer und die vielen Rückmeldungen, die mir bestätigt haben, dass dieses Thema extrem wichtig ist und dass in Deutschland viel zu wenig über die chinesische Digitalwelt gesprochen wird. Außerdem habe ich mich mit vielen Gleichgesinnten vernetzt, mit denen ich mich ausführlich austauschen konnte. Durch den regen Austausch und das Feedback bin ich auf neue Ideen gekommen, wie ich das Projekt in Zukunft ausweiten kann. Das war für mich auch noch einmal ein Beweis dafür, dass man mit einer Idee starten sollte, die noch nicht perfekt ist, die sich aber im Laufe der Zeit durch Kontakte und Input weiterentwickelt.

Ein schönes Erfolgserlebnis war es außerdem zu sehen, wie sich Hunderte von Zuschauern für meine Mailingliste angemeldet haben, um sich die Interviews anzusehen. Obwohl ich die Gespräche natürlich selber unheimlich informativ fand, hatte ich es gar nicht gewagt zu denken, dass sich so viele Leute für ein Projekt interessieren würden, das ich ganz alleine aus einer spontanen Idee heraus entwickelt hatte.

Eine unerwartete Entwicklung war, dass ich von Tobias Loitsch gefragt wurde, ob ich als Autorin dabei sein möchte in der 2. Auflage seines Buchs „China im Blickpunkt des 21. Jahrhunderts: Impulsgeber für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft“, das nächstes Jahr im Springer Gabler Verlag erscheint. Ich hatte mir am Anfang von China Impulse gar nicht träumen lassen, dass daraus auch mal ein Buchprojekt entstehen könnte.

Die Veränderungen in China sind sehr dynamisch, insbesondere mit der Sicht aus Deutschland heraus. Gibt es Bereiche in China, die Sie besonders beindrucken?

Die digitale Welt allgemein entwickelt sich in China unheimlich schnell. Besonders beeindruckend finde ich, wie man dort seinen gesamten Alltag digital über WeChat organisieren kann (Taxi-Ruf, Flug- und Hotelbuchungen, Bezahlung von Wasser- und Stromrechnungen usw.) und wie selbstverständlich die allgegenwärtigen QR Codes genutzt werden (am Obst- und Gemüsestand auf dem Markt, in Tempeln, von Bettlern etc.).

Außerdem finde ich es sehr interessant, dass in China wirklich alle Lebensbereiche digitalisiert werden und dass damit kleine alltägliche Probleme gelöst werden. Kleine Probleme, die aber auch große Auswirkungen haben, wie z. B. im Bereich Umweltschutz. Seit dem letzten Jahr gibt es in Shanghai beispielsweise ein neues Müllsortierungsprogramm, im Rahmen dessen Haushalte und Unternehmen ihre Abfälle in vier Kategorien einteilen und zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten deponieren müssen.

An den Müllsäcken sind QR Codes angebracht, sodass die Stadtverwaltung genau nachverfolgen kann, woher der Müll stammt und ob dieser richtig getrennt wurde. Es gibt für die Bürger außerdem eine Mini-App für die Müllsortierung, in der man in einer Datenbank mit Bilderkennung die richtigen Müllkategorien identifizieren und zuordnen kann. Ich finde, dieses Beispiel zeigt, dass wir uns in Deutschland ebenfalls mehr digitale Lösungen überlegen könnten und sollten.

Sie sind besonders aktiv in Social Media mit dem Schwerpunkt LinkedIn. Was für Trends sind Ihrer Meinung nach hier gerade zu beobachten? Was ist wichtig um hier richtig und authentisch wahrgenommen zu werden?

Vor China Impulse war ich sehr selten auf LinkedIn und habe die Inhalte sehr passiv konsumiert. Ich hatte zwar ein Profil, habe mich aber nur alle paar Monate eingeloggt und nie etwas gepostet oder kommentiert. Bis vor einem halben Jahr hatte ich auch nicht das Gefühl, etwas zu verpassen, weil in meinem Netzwerk eh nicht viele Beiträge gepostet wurden.

In den letzten Monaten war ich öfters auf der Plattform unterwegs, weil ich gemerkt habe, dass immer mehr wertvoller Content veröffentlicht wird und viele Berichte und interessante Artikel verlinkt werden. Als Trend beobachte ich gerade, dass nicht nur trockene Texte, sondern vermehrt Beiträge mit Emojis, Bildern und Kurzvideos gepostet werden.

Seitdem ich China Impulse gestartet habe, habe ich angefangen, selber zu posten und viel mehr mit meinem Netzwerk zu interagieren. Was ich dabei als wichtig empfinde, ist das Thema Personal Branding. Ich glaube, gerade wenn man dabei ist, ein eigenes Projekt oder eine Marke zu etablieren, sollte man sich Gedanken darüber machen, mit welchem Thema man bekannt werden möchte und sich überlegen, wie man sich in diesem Themenbereich als eine Art Experte positionieren kann. Dafür sollte man regelmäßig interessanten Content posten, die Beiträge anderer kommentieren und zu Diskussionen beitragen, gleichzeitig aber auch darauf achten, dass das, was man postet, für die Leser informativ ist. Um authentisch wahrgenommen zu werden, sollte man von seinen eigenen Erfahrungen berichten und, wenn passend, auch persönliche Beispiele aus dem eigenen Leben einbringen.

Was sind für Sie unverzichtbare (Digitale) Tools im Alltag?

Für alles, was mit China zu tun hat, ist für mich WeChat unverzichtbar, auch wenn die Version, die man außerhalb von China nutzen kann, sehr limitierte Funktionen hat. Außerdem nutze ich die Pleco App fast täglich für die Suche nach chinesischen Schriftzeichen und Vokabeln. Für mich ist das die beste App zum Lernen von neuen Wörtern und Ausdrücken. Für mittel- und langfristige Ziele und zur Ideensammlung ist Trello als digitales Tool ein echter Game Changer. Obwohl ich mich viel mit der Digitalisierung und mit digitalen Themen befasse, nutze ich für tägliche To Do Listen aber tatsächlich auch immer noch Stift und Papier.

Welche 3 Tipps würden Sie jemanden mit auf den Weg geben, um mit einem eigenen Projekt oder Startup zu beginnen?

Meiner Meinung nach muss man für ein eigenes Projekt oder ein Startup zunächst eine grobe Idee haben. Sobald man diese hat, sollte man so schnell wie möglich loslegen, auch wenn man das Gefühl hat, dass noch kein perfekter Plan steht. Was mir geholfen hat, war es, den Mut zu finden, einfach zu starten und nicht zu lange nachzudenken. Ganz am Anfang meiner Interviewreihe wusste ich zum Beispiel nicht, ob ich überhaupt passende Experten finden würde, die sich für ein Interview mit mir zurückmelden würden. Ich habe aber trotzdem einfach angefangen, eine Liste anzufertigen und Leute anzuschreiben. Innerhalb von ein paar Wochen hatte ich dann die 20 Zusagen, die ich mir erhofft hatte.

Ein weiterer Tipp wäre, offen und etwas risikobereit zu sein, um sich auf Neues einzulassen und viel auszuprobieren. Man sollte keine Angst haben, auch Fehler zu machen und daraus zu lernen. Auch wenn ich aus eigener Erfahrung weiß, dass das einfacher gesagt als getan ist. Mir hat dabei geholfen, mich regelmäßig mit Gleichgesinnten auszutauschen. Sowohl mit denjenigen, die sich in der gleichen Anfangsphase befinden wie ich als auch mit denjenigen, die schon ein paar Schritte weiter sind und Tipps aus ihrer eigenen Erfahrung geben können.

Ich glaube, dass es wichtig ist, langfristige Ziele und eine genaue Vision dafür zu haben, was man mit dem Projekt oder dem Startup erreichen will. Z. B. der berühmte Schritt „start with why“ von Simon Sinek. Gleichzeitig sollte man aber flexibel bleiben und einzelne Schritte im Prozess auch kurzfristig ändern und bei Bedarf anpassen.

Über Alexandra Stefanov

Alexandra Stefanov
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Alexandra Stefanov hat Sinologie und Transcultural Studies in Heidelberg, Tianjin und Shanghai studiert und hat nach dem Studium zunächst an einer Chinesisch Lern-App mitgearbeitet. Seit Jahren ist sie als Projekt- und Eventmanagerin tätig, insbesondere für Networking- und Recruiting-Events, im IT-Bereich sowie im chinesischen Kontext. Gleichzeitig unterstützt sie im Rahmen der Digitalisierungs-Initiative der Deutschen Wirtschaft die Digitalisierung und Innovationen im deutschsprachigen Raum. Die Digitalisierungs-Initiative bündelt Kräfte aus der Wirtschaft, zeigt positive Beispiele gelungener Digitalisierung auf und bringt führende Köpfe zusammen. Seit über 10 Jahren widmet sich Alexandra Stefanov den Themen Internetkultur, Innovationen und digitale Trends in China. Ihre Absicht mit dem Projekt China Impulse ist es, möglichst vielen Menschen den Einstieg in die chinesische Digitalwelt zu erleichtern und ihnen dabei zu helfen, das digitale Mindset dahinter besser zu verstehen.

Weiterführende Verweise

» Hier ausführliche Informationen zu China Impulse. Digitale Trends und Innovationen aus China.

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